Vergangene Woche besuchte der ungarische
Premier Viktor Orbán Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Ihre
Flüchtlingspolitik könnte unterschiedlicher nicht sein – warum Merkel Orbán
trotzdem braucht
Bisher kann man
sagen: In Sachen Flüchtlingspolitik trennen Merkel und Orbán Welten. Während
Merkel in 2015 einen „Wir schaffen das“-Kurs fährt und Flüchtlinge willkommen
heißt, macht Orbán in Ungarn die Grenzen dicht. Viktor Orbán ist wohl auch der
europäische Regierungschef, der Merkel am drastischsten widersprochen hat. In
der vergangenen Woche trafen die beiden Regierungschefs im Kanzleramt in Berlin
zusammen. „Orbán hatte Merkel immer wieder öffentlich für ihre Politik
kritisiert. Hingegen hat er zu Horst Seehofer und anderen Spitzenleuten der CSU
ein wunderbares Verhältnis. Der christlich-konservative Kurs wird geteilt“,
erklärt Michael Oehme. Das Treffen zwischen Merkel und Orbán war
Medienberichten zufolge sehr unterkühlt, der Dissens könnte kaum größer sein. „Nichtsdestotrotz
sind die beiden in gewisser Weise aufeinander angewiesen“, erklärt Oehme
weiter. „Orbán geriet zu einem der zentralen Politiker während der
Flüchtlingsströme 2015, als er die EU-Außengrenze nach Serbien in einer
regelrechten Nacht und Neben Aktion dichtmachte und einen Zaun bauen ließ. Dies
hatte bei vielen anderen EU-Mitgliedstaaten Schockieren ausgelöst. Doch
hinsichtlich Merkels Asylkompromiss, den sie mit Seehofer geschlossen hat,
könnte sie Orbáns Mithilfe mehr denn je benötigen“, so Oehme weiter. „Das liegt
einerseits daran, dass offiziell EU-Außengrenzen besser geschützt werden müssen
und zum anderen daran, dass es weniger Flüchtlinge nach Europa schaffen sollen.
Das mag unmenschlich und ethisch nicht in Ordnung klingen, wird aber rational
gesehen von Ungarn fast erschreckend vorbildlich eingehalten“, sagt Michael
Oehme. „Nichtsdestotrotz soll und muss Ungarn natürlich auch Flüchtlinge
zurücknehmen, die dort registriert wurden und kann sich dieser Verantwortung
nicht entziehen.“ Die Problematik dabei besteht darin, dass Flüchtlinge im
ersten EU-Eintrittsland registriert werden müssen. Dieses ist in den meisten
Fällen natürlich nicht Ungarn, sondern Griechenland.
Unterdessen
sollte man Viktor Orbáns politische Rolle in der EU nicht unterschätzen. „Im
Ungarn ist Orbán quasi unangefochten, außerdem ist er der inoffizielle Anführer
der Visegrád-Staaten und gilt somit mit seinem politischen Kurs als Vorbild für
beispielsweise Polen“, so Michael Oehme weiter. „Merkel versucht, Realpolitik
mit moralischer Politik im Einklang zu praktizieren. Dies ist nicht immer
möglich. Orbáns Kurs dient den Zwecken der Realpolitik ungemein“, so Michael
Oehme abschließend.
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