Montag, 1. Juli 2013

Michael Oehme: Ägyptens 48-Stunden-Ultimatum



Die ägyptischen Streitkräfte verlangen von der Regierung, die Forderungen der Bevölkerung zu erfüllen. Wegen der Massenproteste sind bereits vier Minister des Kabinetts Mursi zurückgetreten.
Mursi-Gegner stürmen Zentrale der Muslimbrüder

Quelle: Reuters In Ägypten ist ein Ende der Gewalt und der Massenproteste gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi nicht in Sicht. Demonstranten stürmten bereits die Muslimbruderschaft-Zentrale in Kairo. Video teilen
Die ägyptischen Streitkräfte dringen auf eine rasche Lösung des Machtkampfes um den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Er gebe der Politik 48 Stunden Zeit, die Forderungen der Bevölkerung zu erfüllen, erklärte Generalstabschef Abdel Fattah al-Sisi am Montag.
Sollte das nicht gelingen, werde die Armee einen eigenen Ausweg aus der Krise "vorschlagen". Je mehr die Zeit die Politiker verschwendeten, desto größer werde die Spaltung des Landes. Die Demonstrationen gegen Mursi seien eine beispiellose Willensbekundung der Bevölkerung.
Streitkräfte hätten aber keinesfalls die Absicht, sich in die Politik oder die Regierungstätigkeit einzumischen, versicherte Sisi. Unter dem 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak war die Armee der entscheidende Machtfaktor. Sie hat voriges Jahr die Wahl Mursi akzeptiert, der den lange verfolgten Muslimbrüdern nahesteht.


Rücktritte im Kabinett
Inmitten der Massenproteste gegen Mohammed Mursi sind vier Minister seines Kabinetts zurückgetreten. Das sagte ein Regierungsvertreter. Zuvor waren bei landesweiten Protesten gegen Mursi mit Millionen von Teilnehmern am Sonntag mindestens 16 Menschen getötet worden. Wie das Gesundheitsministerium am Montag mitteilte, gab es zudem 781 Verletzte.
Regierungskritische Demonstranten hatten vor den Rücktritten der Minister den zentralen Sitz der islamistischen Muslimbruderschaft in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gestürmt. Das Gebäude im Viertel Mokattam wurde in Brand gesetzt, Protestierende stürmten hinein und warfen Gegenstände aus dem Fenster.
Parteizentrale angezündet und geplündert
Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachtete am Montagmorgen, wie zahlreiche Menschen in das sechsstöckige Gebäude im Osten der Stadt eindrangen. Unter ihnen sollen sich Jugendliche befunden haben. Im Fernsehen waren Bilder von zerschmetterten Fensterscheiben zu sehen; Rauch stieg über dem Gebäude auf. Bürostühle lagen auf der Straße. Es sollen auch Schüsse gefallen sein.
An der Frontseite des Gebäudes entfernte ein Demonstrant ein Schild mit dem Logo der Muslimbruderschaft. Ein weiterer schwenkte auf einem Balkon die ägyptische Fahne. Fotografen dokumentierten, wie Demonstranten die Parteizentrale plünderten.
Laut Augenzeugen hielt sich zu Beginn der Erstürmung niemand in dem Gebäude auf. Am frühen Morgen war demnach eine Gruppe von Menschen herausgeführt worden. Schon in der Nacht hatte es Angriffe auf das Gebäude mit Brandsätzen gegeben.
Opposition stellt Ultimatum
Die Opposition rief ihre Anhänger auf, bis zum Rücktritt Mursis auf der Straße zu bleiben, und setzte ihm ein Ultimatum für seinen Rückzug bis Dienstagnachmittag um 17 Uhr. Einige der Mursi-Anhänger bewaffneten sich indes mit Stöcken und improvisierten Schutzschilden. Sie kündigten an, den Präsidenten zu verteidigen.
Seit Tagen gibt es große Demonstrationen für und gegen den Staatschef. Die Proteste, an denen sich Millionen von Menschen beteiligten, erreichten in der Nacht zum Montag einen neuen Höhepunkt.
Ägypten ist ein Jahr nach dem Amtsantritt des aus den Reihen der Muslimbruderschaft stammenden Präsidenten Mohammed Mursi tief gespalten. Während seine Anhänger darauf verweisen, dass er der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens ist, werfen seine Gegner ihm vor, allein die Interessen der islamistischen Muslimbruderschaft zu vertreten, aus der er hervorging.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sieht Ägypten "am Rande eines religiös geprägten Bürgerkriegs". Die Regierung Mursi versuche, die Enttäuschung in der Bevölkerung über das Versagen der Muslimbrüder auf die religiösen Minderheiten im Land umzulenken, teilte die IGFM in Frankfurt mit. Die Islamisten machten in der Folge "ungläubige Muslime, Christen, Schiiten und Atheisten" für die Misere Ägyptens verantwortlich.

Quelle: dieWelt 


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