Dienstag, 19. März 2013

Michael Oehme: Streit um Beschneidung


Unter Kinderärzten ist ein Streit um den medizinischen Sinn der Beschneidung von kleinen Jungen entbrannt. Der US-Kinderärzteverband AAP hatte sich 2012 mitten in der deutschen Debatte mit einem positiven Fazit zur Neugeborenenbeschneidung im Fachblatt „Pediatrics“ zu Wort gemeldet und wurde viel zitiert. Jetzt antworten europäische Kinderärzte in der gleichen Zeitschrift – und lassen kaum ein gutes Haar an der Stellungnahme ihrer amerikanischen Kollegen. Die Schlussfolgerungen der AAP seien wissenschaftlich kaum haltbar und von kultureller Voreingenommenheit geprägt, schreiben 38 Autoren aus 17 Nationen, darunter die Vorsitzenden von 19 europäischen Kinderärzteverbänden.

Die Publikation in „Pediatrics“, Verbandsorgan der AAP und zugleich international wichtigste kinderärztliche Zeitschrift, zog sich über sechs Monate hin, in denen wiederholt versucht wurde, den Text zu entschärfen
Belege für die herausgestellten gesundheitlichen Vorteile, zum Beispiel der Schutz vor HIV-Ansteckung oder Peniskrebs, ergaben sich in den verfügbaren Studien nicht eindeutig oder zu schwach, um damit einen chirurgischen Eingriff zu rechtfertigen, bevor der Betroffene alt genug ist, um selber darüber zu entscheiden. Zudem seien die diskutierten Zusammenhänge in westlichen Industrienationen mit hohem Hygienestandard und problemlosem Zugang zu Kondomen kaum von Bedeutung. Lediglich einer der behaupteten Schutzeffekte könne sich auf belastbare Daten stützen: Beschnittene Säuglinge leiden im ersten Lebensjahr seltener an Harnwegsinfektionen. Die könne man aber problemlos mit Antibiotika auch ohne Amputation gesunden Gewebes behandeln.

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