Unter
Kinderärzten ist ein Streit um den medizinischen Sinn der Beschneidung von
kleinen Jungen entbrannt. Der US-Kinderärzteverband AAP hatte sich 2012 mitten
in der deutschen Debatte mit einem positiven Fazit zur Neugeborenenbeschneidung
im Fachblatt „Pediatrics“ zu Wort gemeldet und wurde viel zitiert. Jetzt
antworten europäische Kinderärzte in der gleichen Zeitschrift – und lassen kaum
ein gutes Haar an der Stellungnahme ihrer amerikanischen Kollegen. Die
Schlussfolgerungen der AAP seien wissenschaftlich kaum haltbar und von
kultureller Voreingenommenheit geprägt, schreiben 38 Autoren aus 17 Nationen,
darunter die Vorsitzenden von 19 europäischen Kinderärzteverbänden.
Die Publikation
in „Pediatrics“, Verbandsorgan der AAP und zugleich international wichtigste
kinderärztliche Zeitschrift, zog sich über sechs Monate hin, in denen
wiederholt versucht wurde, den Text zu entschärfen
Belege für die
herausgestellten gesundheitlichen Vorteile, zum Beispiel der Schutz vor
HIV-Ansteckung oder Peniskrebs, ergaben sich in den verfügbaren Studien nicht
eindeutig oder zu schwach, um damit einen chirurgischen Eingriff zu
rechtfertigen, bevor der Betroffene alt genug ist, um selber darüber zu entscheiden.
Zudem seien die diskutierten Zusammenhänge in westlichen Industrienationen mit
hohem Hygienestandard und problemlosem Zugang zu Kondomen kaum von Bedeutung. Lediglich
einer der behaupteten Schutzeffekte könne sich auf belastbare Daten stützen: Beschnittene
Säuglinge leiden im ersten Lebensjahr seltener an Harnwegsinfektionen. Die
könne man aber problemlos mit Antibiotika auch ohne Amputation gesunden Gewebes
behandeln.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen