Spinnen, Schlangen, Skorpione – ihr Gift ist das effektivste Tötungsmittel
der Natur. Dabei macht sich der Mensch heute die Toxine in Arzneien zunutze.
Forscher entschlüsseln das medizinische Potenzial der Tiergifte. Es dient
unterschiedlichen Zwecken und wirkt auf unterschiedliche Weise – aber immer im
Zusammenspiel, um maximale Wirkung zu erlangen.
Doch die tödliche Wirkung von Tiergiften ist sehr wertvoll für die Medizin.
Viele der Toxine richten sich gegen dieselben Moleküle, die bei der Behandlung
von Krankheiten unter Kontrolle gebracht werden müssen. Aus Tiergiften sind
bereits wichtige Arzneien gegen Herzleiden und Diabetes entwickelt worden. Neue Wirkstoffe
gegen Autoimmunerkrankungen, Krebs oder Schmerzen könnten in den nächsten
Jahren auf den Markt kommen.
Mehr als 100.000 Tiere haben die
Fähigkeit entwickelt, Gift zu produzieren, dazu Drüsen, die es speichern, sowie
Stachel und Zähne, um es einzusetzen: Schlangen, Skorpione, Spinnen, einige
Eidechsen, Bienen, auch viele Fischarten, manche Oktopoden und Meeresschnecken.
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jedes Jahr bei mehr als fünf
Millionen Bissen oder Stichen 100.000 Menschen ums Leben kommen.
Im Kampf gegen Krebs könnten Tiergifte gute Dienste leisten. Ein
Chlorotoxin genanntes Neurotoxin aus dem Gift des Gelben Mittelmeerskorpions
besitzt nämlich die Eigenschaft, sich an die Oberfläche von Krebszellen im
Gehirn zu heften. Die große Mehrheit der Krankheitsfälle, in denen Krebs erneut
ausbricht, hat als Ursache, dass Chirurgen bei der Operation am Rand der
Wucherungen nicht zwischen gesunden und befallenen Zellen unterscheiden können.
Dank des Skorpiongifts aber haben Ärzte, die Gliome behandeln, die
häufigste Form von Hirntumoren, eine Art "molekularen
Suchscheinwerfer" entwickelt – indem sie Chlorotoxin mit einem Farbstoff
im nahen Infrarot markierten. Schon beim ersten Versuch ließ diese Tumorfarbe
"das Tumorgewebe wunderbar aufleuchten", sagt Olson. "Mit dieser
Methode könnten Chirurgen die Krebszellen besser entfernen, vielleicht sogar zu
100 Prozent."
Das medizinische Potenzial von Tiergiften "ist überwältigend",
sagt der Toxikologe und Schlangenforscher Zoltan Takacs. Doch es besteht die
Gefahr, dass es schneller verloren geht, als die nutzbaren Toxine identifiziert
werden können. "Wir sollten beim Schutz der weltweiten Artenvielfalt auch
die molekulare Biodiversität beachten", fordert Takacs. So würden giftige
Tiere bei Naturschutzentscheidungen stärker in den Fokus rücken. Es könnte
lebensrettend sein.
By VL/ Michael Oehme
By VL/ Michael Oehme
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