Zehntausende Tunesier haben am Freitag beim Begräbnis des ermordeten
Oppositionspolitikers Chokri Belaïd gegen die islamistische Regierung
demonstriert. Sie strömten auf einem Friedhof der Hauptstadt Tunis zusammen und
protestierten lautstark gegen die Regierung. Die Menschen trugen Bilder Belaïds
und machten in Sprechchören die regierenden Islamisten für dessen Tod verantwortlich.
Über der Trauergemeinde kreisten Militärhubschrauber. Hunderte Polizisten hielten
sich in der Habib-Bourghiba-Avenue in Tunis bereit. Laut der Nachrichtenagentur
Reuters kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Trauernden. Zunächst
feuerten die Sicherheitskräfte demnach in die Luft, um Jugendliche
auseinanderzutreiben, die Autos demolierten, dann setzten sie Tränengas ein.
Gleichzeitig legte ein Generalstreik die Stadt weitgehend lahm. Die meisten Flüge
nach Tunesien wurden gestrichen.
Der 48-jährige Oppositionelle Belaïd war am Mittwoch ermordet worden. Seine Anhänger unterstellen der regierenden islamistischen Ennahda-Partei, in das Attentat verwickelt zu sein. Tunesische Medien berichteten von Übergriffen gegen Ennahda-Büros in mehreren Städten des Landes. Das Innenministerium mahnte die Menschen zur Ruhe.
Die Regierung entsandte die Armee, um bei der Trauerprozession für
Sicherheit zu sorgen. Im Gegensatz zur verhassten tunesischen Polizei gilt das
Militär noch als relativ respektierte Institution.
Nach dem Attentat vom Mittwoch hatte Ministerpräsident Hamadi Jebali die
Bildung einer überparteilichen Expertenregierung und die Vorbereitung von
Neuwahlen angekündigt. Doch seine eigene Partei ist dagegen.
2011 war Tunesien Ausgangspunkt des arabischen Frühlings gewesen. Der Übergang
zur Demokratie gestaltet sich jedoch schwierig. Die Wirtschaft des Landes liegt
am Boden. Politisch sind die islamischen und die weltlichen Parteien zerstritten.
Chokri Belaïd war ein strahlendes Vorbild für junge arabische Demokraten.
By VL/ Michael Oehme
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