Montag, 11. Februar 2013

Michael Oehme: Tunesien trauert um Belaïd

 
Zehntausende Tunesier haben am Freitag beim Begräbnis des ermordeten Oppositionspolitikers Chokri Belaïd gegen die islamistische Regierung demonstriert. Sie strömten auf einem Friedhof der Hauptstadt Tunis zusammen und protestierten lautstark gegen die Regierung. Die Menschen trugen Bilder Belaïds und machten in Sprechchören die regierenden Islamisten für dessen Tod verantwortlich.

Über der Trauergemeinde kreisten Militärhubschrauber. Hunderte Polizisten hielten sich in der Habib-Bourghiba-Avenue in Tunis bereit. Laut der Nachrichtenagentur Reuters kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Trauernden. Zunächst feuerten die Sicherheitskräfte demnach in die Luft, um Jugendliche auseinanderzutreiben, die Autos demolierten, dann setzten sie Tränengas ein. Gleichzeitig legte ein Generalstreik die Stadt weitgehend lahm. Die meisten Flüge nach Tunesien wurden gestrichen.

Der 48-jährige Oppositionelle Belaïd war am Mittwoch ermordet worden. Seine Anhänger unterstellen der regierenden islamistischen Ennahda-Partei, in das Attentat verwickelt zu sein. Tunesische Medien berichteten von Übergriffen gegen Ennahda-Büros in mehreren Städten des Landes. Das Innenministerium mahnte die Menschen zur Ruhe.

 

Die Regierung entsandte die Armee, um bei der Trauerprozession für Sicherheit zu sorgen. Im Gegensatz zur verhassten tunesischen Polizei gilt das Militär noch als relativ respektierte Institution.
Nach dem Attentat vom Mittwoch hatte Ministerpräsident Hamadi Jebali die Bildung einer überparteilichen Expertenregierung und die Vorbereitung von Neuwahlen angekündigt. Doch seine eigene Partei ist dagegen.

2011 war Tunesien Ausgangspunkt des arabischen Frühlings gewesen. Der Übergang zur Demokratie gestaltet sich jedoch schwierig. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden. Politisch sind die islamischen und die weltlichen Parteien zerstritten. Chokri Belaïd war ein strahlendes Vorbild für junge arabische Demokraten.
By VL/ Michael Oehme

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